Logistikmarkt in Österreich

Artikel von Dipl. Ing. Thomas Jiresch, MSc., Geschäftsführer Palmira Österreich GmbH. 

Das Wort „Logistik“ hat mittlerweile berechtigte Chancen zum Wort des Jahres gewählt zu werden, nahezu täglich ist es medial in irgendeiner Form präsent.

Auch die CoV Pandemie trägt dazu maßgeblich bei, das Thema Logistik ins Rampenlicht zu bringen. Vor Österreich macht diese Entwicklung ebenfalls nicht halt, wiewohl der österreichische Logistikmarkt anders als beispielsweise in Deutschland strukturiert ist. Aber auch dieser unterliegt dem Wandel, der sich in der aktuellen Situation beschleunigt.



Bestand und Historie

 

Besonderes Merkmal des österreichischen Marktes ist, dass – je nach Studienquelle – nahezu 70% des Marktes unverändert durch Eigennutzer dominiert wird. In der Historie betrachtet rührt dies daher, dass viele, heute wesentliche Marktgrößen, aus kleinen Unternehmen über die Jahrzehnte gewachsen sind und mit ihnen der Immobilienbestand in Eigenbesitz. Interessanterweise gilt dieser österreich-spezifische Zugang auch immer noch für Neuprojekte jüngster Zeit, beispielsweise angeführt das IKEA Lager in Strebersdorf mit etwa 50.000m2 oder Winkler in Himberg mit ca. 25.000m2. Dies führt aber auch heute noch dazu, dass es im Vergleich mit anderen europäischen Ländern unverändert wenig Bewegung am Logistikmarkt gibt und die Nachfrage in allen Bereichen das Angebot bei weitem übersteigt. Damit bleiben im Moment als Rahmenbedingung etwa 30% der Bestandsflächen unabhängig von Altbestand/Neubau als Potential für Entwickler und Investoren in einem international gesehen kleinen Markt. Aber auch hier kommt aufgrund verschiedener Faktoren Bewegung in den Markt:


Die steigende Nachfrage

 

Corona ist hier sicherlich nur der „Brandbeschleuniger“, aber die Wachstumsrate von Onlinehandel / E-Commerce mit zweistelligen Zuwächsen jenseits von 20% bedingt nunmal zwangsläufig auch erhöhten Flächenbedarf sowohl der KEP Dienstleister als natürlich auch klassischer Lagerflächen. Die Volumensthematik ist ja auch keine Einbahnstraße zum Kunden hin, auch die Retouren und deren Manipulation müssen in die Betrachtung miteingeschlossen werden. Um dem Thema eine Dimension zu geben: 1 Mrd. Euro Online Umsatz benötigt etwa 50.000 – 100.000 m² Lagerfläche, die Entwicklung des Onlineumsatzes des österreichischen Internet-Einzelhandels liegt aktuell bei etwa 4,2 Mrd. Euro und legt statistisch betrachtet jährlich etwa um 200 Mio. Euro zu.



Die Altersstruktur der Assets

 

Aufgrund der Altersstruktur des Bestands wird es für viele Assets immer schwieriger wesentliche Parameter wie Flächenproduktivität betriebswirtschaftlich zufriedenstellend zu erfüllen, auch kann der Altbestand früher oder später die modernen Anforderungen an Lagerhöhen, Palettenplätze, etc. nicht mehr erfüllen. Somit reduzieren sich - egal ob in Eigenbesitz oder nicht – Assets, die sich nicht mehr wirtschaftlich nutzen lassen und auch idR keine Drittverwendung zulassen, am Ende auf Abbruchkosten/Grundstückswert.



Hotspots & Regionen

 

Österreichs Topographie und der von West nach Ost teilende Alpenhauptkamm bringen mit sich, dass es entgegen von Flächenländern mit Netzwerkstrukturen in Österreich hingegen Logistik Hotspots im Umfeld der Ballungsräume entlang der Hauptverkehrsachsen gibt. Im Grunde reduziert es sich auf die Regionen samt Umland Wien, Graz und Linz.

Wien samt Umland und deren Subregionen ist dabei die Region mit der höchsten Nachfrage, allerdings auch dem geringsten Angebot. Insgesamt befinden sich aktuell rund 2,5 Mio. m2 in Bestand, wovon jedoch nur etwa die Hälfte der Kategorie A entspricht. Die wenigen verfügbaren Flächen lassen sich meist den Kategorien B und C zuordnen.

Graz bzw. die Region südlich von Graz ist dadurch gekennzeichnet, dass es hier einerseits den modernsten Bestand in Österreich gibt und darüber hinaus hier noch Grundstücksreserven bestehen.

Linz. Im Schnittpunkt zwischen Deutschland und Osteuropa ist dieser Logistik Hotspot von wesentlichem Interesse für Investoren, allerdings auch von sehr begrenztem Angebot gekennzeichnet.



Typen

 

Im Wesentlichen reduziert sich der Bestand auf zwei Assettypen: Big Boxes und Paketverteilzentren.

Big Boxes stehen im überwiegenden Interesse internationaler Investoren, jedoch bietet der Markt aktuell kaum Investmentoptionen. Bei dieser im Prinzip standardisierten Assetklasse hinsichtlich Standort-, Grundstücks-, Gebäude- und technische Ausstattungskriterien ist für Anleger/ Investoren die Drittverwendungsfähigkeit der Immobilien entscheidend, um langfristig Mieteinnahmen von bonitätsstarken Mietern aus den Logistikimmobilien generieren zu können. Soweit der theoretische Zugang, lediglich Verfügbarkeit gibt es in Österreich kaum.

Paketverteilzentren stehen neben der ungebrochenen Nachfrage aktuell nicht zuletzt wegen jüngster Developments im Fokus. Zuletzt hat im April 2021 Amazon sein drittes Paketverteilzentrum innerhalb der Wiener Stadtgrenzen eröffnet, weitere wie beispielsweise in Graz sind in Entwicklung.

Vernachlässigbar am österreichischen Markt sind gegenwärtig Gewerbeparks. Diese beschränken sich im Wesentlichen vorerst auf Wien und auch dort wird sich erst zeigen, wie dieser Typus am Markt angenommen werden wird.

Entwicklung

 

Wohin geht nun die Reise in Österreich? Österreich ist unerfreulicherweise Europameister der Bodenversiegelung, indem jeden Tag zwanzig Hektar Grünland dadurch verloren gehen. Das darf und kann nicht spurlos an der Politik vorüber gehen. Demzufolge ist kaum mehr möglich, Flächen umzuwidmen und es bleibt lediglich der spärliche Bestand an gewidmeten Flächenreserven. Demzufolge liegt und wird zukünftig der Fokus – insbesondere innerhalb von Stadtgrenzen – in Brownfield Developments bzw. Umnutzungen liegen. Dies führt dazu, dass die YIELD Compression weiter voranschreitet, bei Paketverteilzentren in den ohnehin schon erreichten Bereich von 4% - 4,5%, bei Big Boxes erwarten wir etwa 4,5% - 5%.

Eine weitere Entwicklung wird früher oder später im Bereich der in Eigenbesitz befindlichen Immobilien zu erwarten sein: Ab dem Zeitpunkt, ab dem bei den in den Jahren gekommenen Immobilien der absolute Point of no return erreicht ist, werden doch einige Besitzer Sale and Lease back Lösungen in Erwägung ziehen, um nicht Kapital, welches für Unternehmensweiterentwicklungen besser eingesetzt ist, zu blockieren. Ab dann wird der Markt zusätzlich interessant für Investoren und Anleger.
 

Erschienen in: retailreport.at, 11. Juni 2021, https://retailreport.at/logistikmarkt-oesterreich

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